Yazd liegt ziemlich genau in der Mitte des Iran und ist eine der sehenswertesten Städte des Landes. Die landschaftlichen Dimensionen sind andere als in Europa. Drumherum ewig weite Wüste und ein paar hohe Berge. Die Stadt aber hat eine angenehme Größe, es geht hier alles ganz entspannt zu.
Wenn man von Isfahan kommt und denkt, Yazd liegt ja fast genauso hoch, wird schon nicht zu hot werden: Pustekuchen – hier herrscht Wüstenklima! Das ist abends richtig angenehm, ich liebe es, abends bei Temperaturen jenseits 20 Grad durch die Straßen zu schlendern. Optimaler Tagesausklang in einer solchen Stadt findet in einem der zahlreichen Restaurants mit Dachterrasse statt. Es ist ja immer nur ein Stockwerk zu erklimmen. Da sitzt man dann auf einer der Pritschen mit ausgelegten Teppichen und speist im Scheidersitz vom Tablett neben sich.
Tagsüber Ende April: Große Hitze.
Ich schaffe es daher tatsächlich, früh aufzustehen und vor dem Frühstück schon einmal die Umgebung zu erkunden. Um 8 Uhr gehe ich durch die stillen engen Gassen der Altstadt und genieße, wie die Morgensonne harte Schatten hinein wirft.
Die Häuser sind einstöckig und aus Lehm gebaut. Der erste Eindruck, es handelt sich um eine vorsintflutliche Bauweise, täuscht allerdings gewaltig. Nur nach außen sind die Häuser einfach. Hier und da, wo sich eine Tür öffnet, sieht man, dass sich im Innern einiges an moderner Technik verbirgt. Schon, wenn jemand vor einer Tür steht und selbige öffnet sich scheinbar elektrisch, wird das deutlich.
Charakteristisch für Yazd und faszinierende Zeugen der klimatischen Extremlage sind die Windtürme. Zig solcher Konstruktionen recken ihre von Nischen geprägten Hälse gen Himmel und geben ein hübsches Wüsten-Manhatten-Bild ab. Bevor die technische Moderne mit ihren Kühlmethoden einzog, fing man mit diesen Türmen den Wind ein, um ihn zur Kühlung der Häuser und der um Untergrund liegenden Wasserreservoirs zu nutzen. Was für eine schöne Vorstellung: Den Wind einfangen…
Das Wasser in der Tiefe ist dann auch eine weitere technische Errungenschaft früherer Zeiten, die uns Heute-Menschen Achtung abverlangt. Yazd liegt auf etwa 1.200 Meter Höhe, das nahe Shirkuh-Gebirge bringt es auf über 4.000 Meter. Auch Ende April liegen da oben noch Reste von Schnee. In antiker Zeit baute man Kanäle von den Bergen in die Stadt, die sogenannten Qanats. Oft verlaufen die über 50 oder mehr Kilometer, stets leicht abschüssig. Man sieht ihren Verlauf anhand aufgeworfener Erdwälle in der Wüstenlandschaft rund um die Stadt. Auch aus östlicher Himmelsrichtung, in der nur trockene mittelhohe Berge liegen, führen Qanats nach Yazd. Dazu muss man wissen, dass es zu antiker Zeit viel weniger trocken hier war. Laut Gründungslegende der Stadt wurde sie an einem großen See angelegt – wo der mal war, ist nicht mehr zu erahnen.
An einigen Stellen kann man zu den Qanats heruntergehen, dorthin, wo die Menschen früher ihr Wasser aus der Tiefe holten. Das sind dann gut und gerne mal 300 Stufen. Steile Stufen! Lange bleibe ich da unten nicht – es wimmelt von stechenden Viechern.
Die architektonisch auffallendste und wohl auch bedeutendste Moschee ist die Jame-Moschee mit zwei sehr hohen und grazilen Minaretten. Ihr Portal ist das höchste aller Moscheen im Land. Im Innenhof, vor allem auf der Südseite des Innenhofs kann man gut im Schatten relaxen.
Die dominierende Kuppel gleich in der Nachbarschaft gehört zu keiner Moschee, sondern dem Mausoleum von Rokn ob-Din, der im 14. Jahrhundert die Jame Moschee und andere Bauten beauftragte.
An der Nordseite des Innenhofs geht es zu einem der tiefen Qanats hinunter.
Logisch, verfügt Yazd auch über ein Wassermuseum. Das stellt sehr anschaulich die antike Ingenieurkunst und ihre Wiederentdeckung in den letzten Jahrzehnten dar, man kann auch zu einem scheinbaren Qanat herabsteigen.
Chak Chak – Das klingt schon so schön
Von Yazd fährt man etwa eine Stunde nach zum Zoroastrischen Heiligtum Chak Chak. Über den größten Teil der Strecke gibt es nichts. Bergketten am Horizont machen sich aus wie eine Fata Morgana. Mein Fahrer muss wahrscheinlich 150 auf der Landstraße fahren, sonst würden wir wahnsinnig werden, da die Berge nie näherkommen.
Eine Autopanne wäre unangenehm. Chak Chak liegt versteckt an einem Talschluss, unterhalb einer steilen hohen Felswand. Die Lage passt perfekt zur Legende um das Heiligtum.
Dazu sei etwas weiter ausgeholt: Yazdegerd III war der letzte Herrscher (Großkönig) Irans in präislamischer Zeit. Er gehörte dem Zoroastrischen Glauben an. Als 640 die Araber einfielen, flüchtete seine gesamte Familie, strategisch klug in verschiedene Himmelsrichtungen. So konnten die Verfolger vielleicht mancher habhaft werden, aber eben nicht aller. Eine Tochter des Königs, Nikbanou, floh in die Wüste. Die arabischen Häscher schon auf den Fersen, ging sie in ein Felstal in die Falle, dessen Flanken unüberwindbar waren. Dass man die Felsen um Chak Cha nicht hinauskommt und somit in der falle sitzt, kann hier jeder Besucher bestätigen.
In ihrer ausweglosen Lage bat sie Aura Mazda, den Gott der Zoroastrier, um Hilfe. Und siehe da: Der Berg öffnete sich und Nikbanou konnte hineinschlüpfen. Ob auch hindurch oder ob sie ab dann im Felsen festsaß, da bleibt die Legende im Unkonkreten. Jedenfalls steigt man einige hundert Stufen zum Heiligtum hinauf und trifft oben unter einem Felsvorsprung auf einige Schüsseln. Darin werden die Tränen von Nikbanou aufgefangen – wahrscheinlich sitzt sie also tatsächlich im Felsen fest, mit dem Lebenszeichen funktionierender Drüsen. Ein großer, weit verzweigter Baum neben dem Heiligtum ist übrigens ein Stock, den die Unglückliche hier stehen ließ.