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Iran

Stadtlust

Wüstenstadt Yazd und ein Heiligtum im Nirgendwo

Juni 1, 2017

Yazd liegt ziemlich genau in der Mitte des Iran und ist eine der sehenswertesten Städte des Landes. Die landschaftlichen Dimensionen sind andere als in Europa. Drumherum ewig weite Wüste und ein paar hohe Berge. Die Stadt aber hat eine angenehme Größe, es geht hier alles ganz entspannt zu.

Wenn man von Isfahan kommt und denkt, Yazd liegt ja fast genauso hoch, wird schon nicht zu hot werden: Pustekuchen – hier herrscht Wüstenklima! Das ist abends richtig angenehm, ich liebe es, abends bei Temperaturen jenseits 20 Grad durch die Straßen zu schlendern. Optimaler Tagesausklang in einer solchen Stadt findet in einem der zahlreichen Restaurants mit Dachterrasse statt. Es ist ja immer nur ein Stockwerk zu erklimmen. Da sitzt man dann auf einer der Pritschen mit ausgelegten Teppichen und speist im Scheidersitz vom Tablett neben sich.

Tagsüber Ende April: Große Hitze.

Ich schaffe es daher tatsächlich, früh aufzustehen und vor dem Frühstück schon einmal die Umgebung zu erkunden. Um 8 Uhr gehe ich durch die stillen engen Gassen der Altstadt und genieße, wie die Morgensonne harte Schatten hinein wirft.

Die Häuser sind einstöckig und aus Lehm gebaut. Der erste Eindruck, es handelt sich um eine vorsintflutliche Bauweise, täuscht allerdings gewaltig. Nur nach außen sind die Häuser einfach. Hier und da, wo sich eine Tür öffnet, sieht man, dass sich im Innern einiges an moderner Technik verbirgt. Schon, wenn jemand vor einer Tür steht und selbige öffnet sich scheinbar elektrisch, wird das deutlich.

Charakteristisch für Yazd und faszinierende Zeugen der klimatischen Extremlage sind die Windtürme. Zig solcher Konstruktionen recken ihre von Nischen geprägten Hälse gen Himmel und geben ein hübsches Wüsten-Manhatten-Bild ab. Bevor die technische Moderne mit ihren Kühlmethoden einzog, fing man mit diesen Türmen den Wind ein, um ihn zur Kühlung der Häuser und der um Untergrund liegenden Wasserreservoirs zu nutzen. Was für eine schöne Vorstellung: Den Wind einfangen…

Das Wasser in der Tiefe ist dann auch eine weitere technische Errungenschaft früherer Zeiten, die uns Heute-Menschen Achtung abverlangt. Yazd liegt auf etwa 1.200 Meter Höhe, das nahe Shirkuh-Gebirge bringt es auf über 4.000 Meter. Auch Ende April liegen da oben noch Reste von Schnee. In antiker Zeit baute man Kanäle von den Bergen in die Stadt, die sogenannten Qanats. Oft verlaufen die über 50 oder mehr Kilometer, stets leicht abschüssig. Man sieht ihren Verlauf anhand aufgeworfener Erdwälle in der Wüstenlandschaft rund um die Stadt. Auch aus östlicher Himmelsrichtung, in der nur trockene mittelhohe Berge liegen, führen Qanats nach Yazd. Dazu muss man wissen, dass es zu antiker Zeit viel weniger trocken hier war. Laut Gründungslegende der Stadt wurde sie an einem großen See angelegt – wo der mal war, ist nicht mehr zu erahnen.

An einigen Stellen kann man zu den Qanats heruntergehen, dorthin, wo die Menschen früher ihr Wasser aus der Tiefe holten. Das sind dann gut und gerne mal 300 Stufen. Steile Stufen! Lange bleibe ich da unten nicht – es wimmelt von stechenden Viechern.

Die architektonisch auffallendste und wohl auch bedeutendste Moschee ist die Jame-Moschee mit zwei sehr hohen und grazilen Minaretten. Ihr Portal ist das höchste aller Moscheen im Land. Im Innenhof, vor allem auf der Südseite des Innenhofs kann man gut im Schatten relaxen.

Die dominierende Kuppel gleich in der Nachbarschaft gehört zu keiner Moschee, sondern dem Mausoleum von Rokn ob-Din, der im 14. Jahrhundert die Jame Moschee und andere Bauten beauftragte.

An der Nordseite des Innenhofs geht es zu einem der tiefen Qanats hinunter.

Logisch, verfügt Yazd auch über ein Wassermuseum. Das stellt sehr anschaulich die antike Ingenieurkunst und ihre Wiederentdeckung in den letzten Jahrzehnten dar, man kann auch zu einem scheinbaren Qanat herabsteigen.

Chak Chak – Das klingt schon so schön

Von Yazd fährt man etwa eine Stunde nach zum Zoroastrischen Heiligtum Chak Chak. Über den größten Teil der Strecke gibt es nichts. Bergketten am Horizont machen sich aus wie eine Fata Morgana. Mein Fahrer muss wahrscheinlich 150 auf der Landstraße fahren, sonst würden wir wahnsinnig werden, da die Berge nie näherkommen.

Eine Autopanne wäre unangenehm. Chak Chak liegt versteckt an einem Talschluss, unterhalb einer steilen hohen Felswand. Die Lage passt perfekt zur Legende um das Heiligtum.
Dazu sei etwas weiter ausgeholt: Yazdegerd III war der letzte Herrscher (Großkönig) Irans in präislamischer Zeit. Er gehörte dem Zoroastrischen Glauben an. Als 640 die Araber einfielen, flüchtete seine gesamte Familie, strategisch klug in verschiedene Himmelsrichtungen. So konnten die Verfolger vielleicht mancher habhaft werden, aber eben nicht aller. Eine Tochter des Königs, Nikbanou, floh in die Wüste. Die arabischen Häscher schon auf den Fersen, ging sie in ein Felstal in die Falle, dessen Flanken unüberwindbar waren. Dass man die Felsen um Chak Cha nicht hinauskommt und somit in der falle sitzt, kann hier jeder Besucher bestätigen.

In ihrer ausweglosen Lage bat sie Aura Mazda, den Gott der Zoroastrier, um Hilfe. Und siehe da: Der Berg öffnete sich und Nikbanou konnte hineinschlüpfen. Ob auch hindurch oder ob sie ab dann im Felsen festsaß, da bleibt die Legende im Unkonkreten. Jedenfalls steigt man einige hundert Stufen zum Heiligtum hinauf und trifft oben unter einem Felsvorsprung auf einige Schüsseln. Darin werden die Tränen von Nikbanou aufgefangen – wahrscheinlich sitzt sie also tatsächlich im Felsen fest, mit dem Lebenszeichen funktionierender Drüsen. Ein großer, weit verzweigter Baum neben dem Heiligtum ist übrigens ein Stock, den die Unglückliche hier stehen ließ.

Stadtlust

Isfahan – Oasen-Großstadt im zentralen Hochland des Iran

Mai 11, 2017

Ein “Spiegel des Paradieses” sollte Isfahan sein. Ganz und gar nicht bescheiden planten die Safawiden die Stadt, die Persien von 1501 bis 1722 beherrschten und Isfahan zur Hauptstadt machten. Prachtvolle Gebäude wurden errichtet, Gärten angelegt und die klügsten Leute von weit und bereit angelockt. Vieles vom beeindruckenden Ergebnis kann man heute noch besichtigen.

So riesig wirkt er eigentlich gar nicht, der Meidan-e-Imam, denke ich bei mir, auf dem Balkon des Ali Qapu-Palasts stehend. Doch der Imam-Platz ist der zweitgrößte städtische Platz der Welt, nur getoppt vom Tien’anmen Platz in Peking. Dass man ihm das nicht ansieht, liegt wohl an der aufgelockerten Struktur des Platzes. Rund um das zentrale Wasserbecken, in dem viele Menschen ein Teilkörperbad nehmen, liegen symmetrisch angeordnete Rasenflächen, Hecken, einzelne Zierbäume. Den gesamten platz kann man wunderbar vom Balkon des Palasts – der “Hohen Pforte” überblicken.

Die Dimension des Platzes überblickend, will ich eigentlich gar nicht weg und könnte mich ohne weiteres den ganzen Tag hier aufhalten. Der Palast ist aber auch im Innern sehenswert. Allein das Musikzimmer ist mit seinen zierenden Wandeinlassungen, die den Klang der musikalischen Darbietungen verbessern halfen, einBeispiel für orientalische Pracht.

Abends verwandelt sich der gesamte Meidan-e-Imam in eine riesige Picknick-Fläche. Familien nehmen die Rasenflächen wir selbstverständlich ein und sitzen, essen und trinken bis spät in die Nacht hinein. Die Nacht hat dabei auch im Mai bereits angenehme Temperaturen. Überall erklingt Musik – unterschiedlichster Richtung, machmal durchaus ganz westlich-moderne Klänge. Doch die Moscheen, Arkadengänge auf allen Seiten sowie der Ali Qapu-Palast sind derart effektvoll angestrahlt, sodass das Märchen aus 1001 Nacht im Prinzip in jeder Nacht greifbar ist.


Der Imam-Platz bildet das Zentrum von Isfahan, um den Platz herum stehen die wichtigsten Bauwerke. Die Imam-Moschee liegt am südwestlichen Ende, damit die Gläubigen exakt Richtung Mekka beten können, ist der Innenraum geschickt gekrümmt angelegt.

Zunächst muss man aber auch als Gläubiger den Weg durch den Innenhof antreten. Einige Touristen stehen hier und staunen. Dann falle ich aber selbst vom Glauben ab: Im Innenhof der Moschee, direkt vor dem Gebetsraum ertönt laut aus einem Ghettoblaster: “No no, no no no no, no no there’s no limit!” Für Aufruhr sorgt das hier nicht gerade.

Gegenüber des Platzes vom Palast Ali Qapu aus gesehen, liegt die Lotfullah-Moschee mit beigefarbenem Kuppelbau…

Am Nordende des Imam-Platzes beginnt der große Basar, der wie alle Bauten am Platz, von Schah Abbas zu Beginn des 16. Jahrhunderts geplant wurde. Wer die wuselige Atmosphäre in arabischen Barasen kennt, wird hier verwundert sein ob des relativ geordneten und überschaubaren Areals.

In den Bergen

Felsendorf Kandovan

April 20, 2017
Kandovan im Norden des Iran

Im Nordwesten des Iran, in der Provinz Ost-Aserbeidschan, liegt Kandovan. Am Ende eines Tals ist das Dorf in die Tuffstein-Formationen des Kuh-e Sahand Gebirges hineingebaut. Archaisch und gleichzeitig von hoher Baukultur zeugend – ein wunderschöner Ort in einsamer Landschaft.

Wir fahren gerade durchs einen See, mit Tempo 100. Das Problem: Der See befindet sich auf der Straße. Wenn wir von derselben abkommen, prallen wir gegen irgendwas Felsiges oder rauschen den Berghang hinab. Was sich seitlich der Straße genau befindet und wie breit sie ist, kann ich nicht sehen. Da ist nur noch Wasser, keine Landschaft und schon gar keine Straße mehr. Und ich bin sicher, mein Taxifahrer kann auch nichts erkennen. Aber er weiß es. Er ist vom Hotel gesandt, mich abzuholen und er kennt sicher den Weg sehr gut. Er fragt auch einmal, ob alles ok mit mir sei – ich sitze wohl ein bisschen anspannt an den Sitz geklammert. Ich zähle die Kilometer runter und vertraue darauf, Allah möge uns leiten und die letzten Kilometer bis zum Ziel Kandovan schnell vorübergehen lassen. Wie durch eine Wunder erreichen wir dann auch unversehrt das Ziel.

Die Busfahrt war lang, beim Umsteigen von Bus auf Taxi am Busbahnhof von Täbriz gießt es in einem Maße, wie ich es vielleicht noch nie erlebt habe. Eine halbe Minute im Freien reichen, um vollständig durchnässt zu werden. Während der Fahrt ins 50 Kilometer entfernte Kandovan ist es zunächst wieder fast trocken, bevor es den ganzen Abend erneut wie aus Eimer gießt. Am nächsten Tag erfahre ich, dass es nur 40 Kilometer westlich von Kandovan in der Nacht meiner Ankunft schlimmste Überschwemmungen mit 40 Toten gegeben hat.
Das ahne ich noch nicht, während ich mich in der ersten Nacht mit gefühlten 40 Grad im Zimmer herumplage. Die Fußbodenheizung in diesem schicken in die Felsen gebauten Hotel läuft auf Hochtouren, man kann nicht barfuß gehen, abstellen lässt sie sich angeblich nicht. Die Rezeption meint, ich solle das Fenster öffnen. In Energie- und Umweltfragen gibt es erstmal keine Bestnote.
Am nächsten Morgen beim ersten Gang durchs Dorf staune ich nicht schlecht. Ein faszinierender Ort. Als Behausungen dienen im oberen Teil des Dorfes die Tuffsteinformationen, die das Ergebnis vulkanischer Tätigkeit sind.

Unzählige spitze Felsen reihen sich auf der linken Talseite auf. Ihre Form ist zumeist durch Erosion entstanden, aber die Menschen, die hier wohl seit Jahrtausenden in den Felsen leben, haben diese auch geformt. Sie leben darin. Unterhalb der bewohnten Felsen, teilweise auch mit ihnen verwachsen, liegen quadratische Felssteinhäuser. Je weiter oben, umso weniger gerade Wände gibt und umso geschickter sind die Behausungen in die Felsen integriert.

Kurz denke ich, die Regisseure von manchen Science Fiction Film müssen hier gewesen sein. Sieht teilweise aus wie Star Wars.

Wenn man ein bisschen zwischen den oberen Häusern herumläuft, ahnt man, welch verschachtelte Gänge es zwischen den verschiedenen Eingängen geben muss. Auch Terrassen und Brücken haben die Bewohner angelegt, die von der Hauptstraße nicht einsehbar sind. Ideale Verstecke müssen das sein – und das waren sie auch immer wieder in der Vergangenheit. In kriegerischen Zeiten zogen sich die Menschen aus der umliegenden Region hierher zurück, wohl auch aus dem nahen Tabriz.

Ich wandle erst einmal durch die Gassen und merke schnell, dass hier noch das echte Leben herrscht, die meisten Bewohner kümmern sich nicht allzuviel um die Touristen. Das mag aber auch daran liegen, dass gerade nicht viele da sind. Jedenfalls leben die Menschen in den alten Häusern, ob Höhle oder nicht, und die sind unglaublich einfach eingerichtet.
Ich lerne über das Personal im Hotel Leute kennen und besuche sie kurz in ihren Häusern. Eine deutliche Zurückhaltung prägt die kurzen Besuche. Meist verfügen sie über genau einen Wohnraum plus Vorraum, in dem Schuhe und andere Dinge abgestellt werden. Der Wohnraum ist nämlich immer komplett mit Teppichen ausgelegt. Dieser eine Raum ist dann aber auch Küche, Ess-, Schlafzimmer und Wohnzimmer zugleich.
Die Menschen leben von Obstanbau, Ackerbau und der Schafzucht. Auch jetzt im April ziehen die Hirten jeden Tag mit Schafen das Tal hinauf und abends geht es zurück. Ich habe ein paar unschöne Begegnungen mit einem übereifrigen hbirtenhund, der es allerdings bei Trockenbissen belässt.

Talaufwärts gibt es nur noch Ruhe und Einsamkeit. Langsam wird die Landschaft verschneiter und man erblickt den Gipfel des Kuh-e Sahand Gebirges, ein inaktiver Schichtvulkan. Ich wähne mich am Ende der bewohnten Welt und so verkehrt ist das auch nicht. Ein Skigebiet gibt es da oben allerdings auch.

Genau wie weiter südlich in Yazd, wurde auch das Wasser aus diesem Gebirge durch Qanats in die nahe Großstadt Tabriz geleitet. Tabriz ist sogar ein Kandidat für die reale Vorlage für den Garten Eden.