Kuba – das ist für viele Menschen ein Sehnsuchtsland. Ich gehöre zu ihnen – schon seit mehr als zehn Jahren steht das Land ganz oben auf meiner Must-do-Liste des Reisens. Bröckelnde Fassaden, die morbide Romantik verströmen, Oldtimer, das gute Leben, Tanzen, Mojito. Und jetzt hab Ichs endlich geschafft, herzukommen. Und hoffe, dass meine Vorstellungen nicht allzu weit von der Realität abweichen. Schließlich ist auch Kuba schon länger nicht mehr aus der Welt gefallen und auch hier zählt es, Mythen und Träume teuer zu verkaufen. Zunächst heißt es: Sieben Tage Havanna, ganz in Ruhe die Stadt erkunden. Continue Reading…
Baracoa liegt am östlichen Ende von Cuba. Der Weg hierher dauert, ist fast ein bisschen abenteuerlich. Dafür ist man plötzlich in einer anderen Welt: Keine allzu großen Touristenströme, sondern Leute, die sich aufs Land einlassen. Umgeben ist Baracoa von Bergen, der mit Regenwald bedeckt sind, an denen die letzten Wirbelstürme leider reichlich gezerrt haben.
Eine Stadt am Honigmund, die Kaffee und Schokolade inhaliert und einen veritablen Tafelberg besitzt. Und die, wenn alle (Verkehrs)stränge reißen, sich immer noch selbst versorgen kann: Klingt nach Paradies? Ein bisschen hat man das Gefühl, in ebenjenem zu sein, wenn man nach langer Busfahrt über die steilen Pässe der Sierra de Purial in Baracoa ankommt.
Die Stadt liegt an der Boca de Miel oder Bahía de Miel – Honigbucht oder Honigmund eben. Erstes Anzeichen, dass man in einer Region ist, in der Milch und Honig fließen, ist das Angebot von Cucuruchos. Diese Süßspeise wird schon bei einem Stopp an der Passstraße angeboten werden. Dabei handelt es sich um eine Süßspeise aus Kokosnuss, Honig, Ananas, Guave und vor allem: ganz viel Zucker. Gewickelt wird das Ganze in einen spitzen Kegel aus Palmblättern, hat also die Form wie ein klassisches Cornetto-Eis im Freibad. Schmeckt reichlich süß und für meinen Geschmack ein bisschen zu viel nach Banane.
In Baracoa angekommen, merkt man schnell, dass die Uhren hier anders ticken als sonst in Cuba. Taxis werden hier mit Muskelkraft betrieben. Im teuersten Hotel kann jeder im Pool baden, auch wenn er hier nicht wohnt. Wenn man den steile Hang zum Hotel El Castillo erklimmt, hat man von oben einen großartigen Blick auf Stadt und Bucht.
Emilio, der mit seiner Familie hier ist, erklärt mir mit untrüglichen Handzeichen schnell, worauf es ankommt in Cuba: Vier Geliebte habe er – neben seiner Frau. Das gehört so, meint er. Nun ja, dass diese Land eine andere Sexualkultur hat, weiß man bald, wenn man sich ein bisschen umschaut. Erfreulicherweise profitieren davon aber nicht nur Männer und das gute und leichte Leben wird auch Menschen jenseits der Heterosexualität zugestanden. Ich werde in meinen drei Tagen Baracoa gleich Zeuge eines Queer Festivals. Eine kleine Parade, spontanes Singen, Get-together und Konzerte in den Straßen bis spät in die Nacht und informelle Partys bis in den frühen Morgen.
Ich muss mich leider irgendwann verabschieden – ich muss morgen El Yunque besteigen. Der Tafelberg überragt Baracoa zwar nur um 600 Meter. Aber er hat eine charakteristische Tafelform. Diese Form sorgt dafür, dass Baracoa bis heute für sich in Anspruch nimmt, erster Ort zu sein, an dem Kolumbus 1492 cubanischen Boden betrat. Denn der Seefahrer berichtet von einer Naturbucht, über der sich ein tafelförmiger Berg erhebe. Nun liegt man seitens Baracoa im Streit mit Bariay in der Provinz Holguin, was denn nun wirklich der Ort war, in dem Kolumbus Kubanischen bBoden betrat. Wahrscheinlich haben die …. aber recht. Einen tafelförmigen Berg haben sie in Bariay auch und obendrein die Lage von Kolumbus beschriebene Lage an einer Bucht mit vielen Bäumen. Da der Tafelberg, den Kolumbus sah, aber eienn Sattelartigen Einschnitt hat, war der Eroberer wohl eher dort. Doch, ganz ehrlich: Müsste man stolz auf die Landung der Eroberer oder Entdecker sein, die für Cuba und den Rest des Kontinents ja alles andere als nur positive Folgen hatte?
Um El Yunque zu besteigen, muss ich erst einmal ein bisschen Jeep fahren. Der Paradeberg protzt nicht ganz so mit seiner Präsenzhält sich gegenüber Stadt und Küste ein bisschen im Hintergrund und protzt nicht ganz so ar: Am Ende der Straße warten dann die Pforte (Eintritt bezahlen) und Fernando auf mich, mein Führer. Eintritt und Fernando kosten aber zusammen nur etwa 15 Euro – und Fernando wird mich immerhin fast 5 Stunden lang begleiten. Zunächst nötigt er mich, eine 2. Flasche Wasser zu kaufen, da er meint, meine Eineinhalb-Liter-Flasche reiche nicht aus. Er soll später recht behalten, wenn auch nur knapp.
Erstmal geht es gemächlich bergauf, dann heißt es bald: Fluss durchqueren. Waten bis zur Brust – Nature-Feeling. Die steilen Flanken von El Yunque grüßen schon.
Hinter dem Fluss Rio Duaba steigt der Weg dann deutlich an. Es dauert nicht allzu lang und ich merke die Anstrengung. Schließlich geht es bei 33 oder 36 Grad, hoher Luftfeuchtigkeit und senkrechtem Sonnenstand steil bergauf. Normalerweise, sagt Fernando, würden wir hier hübsch im Schatten eines dichten Blätterdachs gehen, doch im Herbst 2016 hat Hurricane Andrew einen Großteil der Bäume niedergemäht. Nun also: Volles Brüten. Als wir an einer Pausen-Hütte ankommen, läuft mein Kreislauf nicht mehr ganz rund. Viel trinken, ein bisschen Schatten und das Mark einer Kokosnuss, die Fernando aufschneidet, stärken mich wieder.
Dann geht’s weiter zum ‘Gipfelanstieg’. Auf dem Weg zeigt mir Fernando manch endemische Pflanzenart und einen ziemlich giftig aussehenden Tausendfüßler.
Den restlichen Aufstieg schaffe ich ohne weitere Kreislaufprobleme. Wahnsinn! Obwohl: noch nicht mal 600 Höhenmeter. Oben hat man einen ziemlich beeindruckenden Rundum-Blick, außer Baracoa ist keine Besiedlung zu erkennen.
Nach Genießen des Rundblicks und ausreichend Verschnaufen fängt es nun ein bisschen an zu regnen und wir machen uns auf den Rückweg. Nach zweiter Flussdurchquerung geht es nun wiederum den Berg leicht hinauf. Dann muss erneut der Fluss durchquert werden, dieses Mal ist das Wasser noch tiefer. Dann noch ein bisschen über Felsen bergauf, zu einer kleinen Kaskade mit Naturpool: Charco de la Piña. Herrlich, darin zu schwimmen, immer wieder auf den Wasserfall zu. Ich liebe diesen Kontakt unmittelbar mit Naturkräften. Und immer, wenn ich ihn habe, danke ich mir: Wie blöd, dass ich so etwas nicht öfter mache: mich den Elementen aussetze, gegen Störungen anschwimme, beim Bergwanderin verausgabe, tauche, in großer Höhe wandere usw.
Schließlich Rückweg, mein Fahrer Aurelio, der Onkel von meinem Host Pepe, lacht: “Haha – Wie lange hat das denn gedauert.” Haha, ich hab alles gegeben, Mann! Jedenfalls ist der Tag fast vorbei, ich mache heute nichts weiteres mehr . Zuerst war angedacht, noch nach Yumurí zur landschaftliche spektakulären Mündung des gleichnamigen Flusses zu fahren.
Auf dem Rückweg nehmen wir drei Abiturienten aus Bayern mit: Sind alle auf eineinhalbjähriger Reise durch Mittel- und Südamerika und feiern zwischen zwischen dem zielloserem Herumfahren viel. Ein Hoch auf die Jugend.
Die drei treffe ich auch spät nachts wieder bei einem Kulturfest – man feiert gerne und oft in Baracoa. Ich muss leider wieder weit vor Ende der Party ins Bett, denn ich will am nächsten Tag noch nach Yumurí. Die Boca de Yumurí, die Mündung des gleichnamigen Flusses ist ziemlich spektakulär. Zu dritt will ich mit Scott aus Schottland und Marianne aus Australien dorthin. Der Fluss zwängt sich durch 200 Meter hohe Felswände hindurch.
Am eindrucksvollsten wird an diesem Tag jedoch eine ganz unverhoffte Begegnung. Während wir wegen Regens in einem Restaurant Pause machen, gehe ich wenigstens ein bisschen am Strand spazieren und sehe ein kleines Haus. Plötzlich steht da ein Mann in Badehose und zeigt schüchtern auf seine bescheidene Behausung. Ich nicke, als er ein zweites Mal auf sein Haus deutet, gehe ich einfach mal langsam zu ihm hin und werde hinein geführt. Er heißt Wilder und stellt mir gleich seine Mutter Aurelia vor. Die beiden leben hier offensichtlich gemeinsam in zwei Zimmern. Wilder ist 50, Aurelia 63 Jahre alt.
Ich bekomme einen Kaffee gemacht. Und ich soll fotografieren, ausdrücklich erwünscht, und zwar sie beide in ihrem Zuhause . Der Plan: ich mache schöne Fotos und in ein paar Jahren komme ich wieder, um den beiden Abzüge zu bringen. Dazu zeigen sie mir etwas vergilbte Fotos von anderen Leuten aus Deutschland, die genau dasselbe schon getan haben. Ein bisschen plaudern wir, es ist nett und von ehrlichem Interesse geprägt, auch wenn wir natürlich noch allzu viele Themen haben. Ich muss bzw. darf hier selbstverständlich nichts für den Kaffe bezahlen.
Als ich gehe, kommen mir beinahe die Tränen. Gerade sehr einfach lebende Menschen wie diese zwei schenken einem etwas. Was die sogenannte zivilisierte Welt von ihnen lernen könnte…
Am Abend, meinem letzten in Baracoa, genieße noch ein bisschen die schwülwarme Luft unter dichten, tief hängenden Wolken. Es sieht fast bedrohlich aus. El Yunque ist in der Ferne unter den Wolken verborgen, die drückende Luft hält mich gefühlt fest umschlungen. Ich liebe solche Wetterstimmungen. Das Fehlen von Sonnenlicht macht das Hier und Jetzt klarer, es lässt einen mehr auf den Ort fokussieren und die warme Luft auf der Haut fühlt sich grandios an.
Baracoa ist für mich mit das Highlight auf Cuba. Schöne Landschaft, das stärkste Tropenfeeling, supernette Menschen, zudem gibt es hier auch keine agressiven Anbieter von Taxis und Casa Partikulares. Mit Wehmut packe ich meine Sachen und beschließe, auf jeden Fall wieder zu kommen.
In Viñales gibt es sie noch mehr als sonst in Cuba: Bäuerliche Kleinbetriebe. Das Who-is-who der tropischen Früchte wird hier nebeneinander auf kleinstem Raum angebaut. Da lohnt es sehr, sich mal genauer umzuschauen und sich von netten Campesinos Erklärungen und Kostproben einzuholen.
Aha, El Triste heißt er also, dieser nette Typ, der mich hier über seine Farm führt.
Ein kleines Schild an der Straße hat mich neugierig gemacht und so bin ich mit meinem Mietfahrrad auf die rote Sandpiste abgebogen, die schnurstracks in Richtung Felswand von einem der Morcotes von Viñales führt. Nach geschätzten 500 Metern führt die Piste auf ein Farmgelände, ohne dass es eine klare Grundstücksgrenze gibt. Im Schatten steht ziemlich entspannt ein Campesino. Er grüßt und bedeutet mir: Komm her, ich zeig dir mal was.
„El Triste – das ist doch nicht dein wirklicher Name, ein Spitzname.“ – „Ja, in Wirklichkeit heiße ich Rodovaldo“ –„Also: Eres triste?“ („bist du traurig?“)
Es folgt eine ruhig und langsam ausgeführte ausladende Bewegung mit den Armen, die nur bedeuten kann: Ja klar, Mann, merkt man das nicht? „Warum?“ – „Ah, das Leben generell, Sorgen um die Ernte, die Preise…“
Mehr als zwei Stunden hat mir El Triste beziehungsweise Rodovaldo erklärt und vorgestellt, was auf seiner kleinen Farm alles angebaut wird. Und das ist eine ganze Menge. Da sind zunächst die Avocados, die gerade am Baum wachsen. Geerntet werden sie im Hochsommer. Sie machen einen großen Teil des Areals aus. Während der gesamten Zeit des Herumführens hat er eine dicke Zigarre im Mund – mir hatte er auch eine angeboten, aber ich belasse es lieber bei einer pro Tag und die Zeit dazu ist abends nach jeder anstrengenden körperlichen Aktivität wie Fahrradfahren.
Zahlreich vertreten sind auch Papaya-Bäume, aber halt: Die heißen hier Fruta bomba, klingt doch gleich viel schärfer. Die Bäume der bombigen Frucht stehen gar in Reih und Glied, wie sonst kaum etwas sonst hier. Zwischen den dünnen Bäumchen laufen Katzen, Hunde und Schweine herum.
In 2 bis 3 Metern Höhe hängen viele dicke Früchte, die allermeisten noch völlig grün, dazwischen wie zum Kontrast ab und an eine prall-orangene. Die Ernte ist im Hochsommer, es gibt aber scheinbar einige frühreife Exemplare.
Eine von denen holt mir El Triste vom Baum, schneidet sie mit seinem riesigen Messer, das er nie ablegt, auf und gibt mir ein Achtel davon zum Probieren. Schmeckt köstlich. Mir ist irgendwie klar, das ich so bald keine im deutschen Supermarkt gekaufte Papaya mehr essen werde können.
Das Problem: Wie man beim Wein verkosten lernt, bewegt man sich langsam in Richtung der intensiver schmeckenden Tropfen, das wäre auch hier das Beste. Doch vor der Fruta bomba gab mir El Triste schon einen Teil einer Mamey zu essen. Die ist ähnlich groß wie eine Papaya. Aber gegen die Mamey ist die Papaya geschmacksarm, denn die Mamey ist das Filetstückchen unter den ganzen Früchten. Sie ist unglaublich saftig, aber nicht wässrig, vollmundig-süß. Schwer zu glauben, dass man sie in Europa noch nicht im großen Rahmen nachfragt.
Ganze vier Hektar groß ist das Anwesen von Rodovaldo und seinem Bruder Rigelio.
Natürlich wachsen hier die üblichen Verdächtigen unter den kubanischen Kulturpflanzen: Palmen, Kaffee, Bananen, Tabak. Dazu bestimmte Zitronensorten und auch eine Sorte Kohl – Calabasa – ist vertreten.
In einem großen Schuppen, dessen Außenhaut aus getrockneten Palmblättern besteht, trocknen Tabakblätter vor sich hin.
Die zwei Brüder – Rigelio ist mittlerweile hinzugekommen – beklagen, dass für sie als Campesinos die rasante touristische Entwicklung in Viñales nicht sehr positiv verläuft. Die Besitzer der Casa Particulares im Ort, und das sind mittlerweile Tausende, verdienen sich seit ein paar Jahren dumm und dämlich und zerstören so die Preise in der Region. Sie, die Bauern, verdienen nicht mehr als zuvor und geraten so immer mehr ins Hintertreffen.
Ja ja, das Paradies: Wehe, wenn es von zu vielen entdeckt wird…
Und das Paradies ist auch noch fragil. Es war im Jahr 2008, als Hurricane Ike ganz Cuba verwüstete. Die Felder von Rodovaldo und Rigelio wurden dabei genau wie das ganze Tal von Viñales komplett überflutet. Ich sehe mich um, betrachte all die Üppigkeit dieser fruchtbaren Landschaft und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ihr alles unter Wassermassen steht und danach entsprechend verwüstet ist. Dass die Bauern, wenn sie derart getroffen werden, danach einfach alles wieder aufbauen und einfach weitermachen: Respekt! An Wirbelstürme gewöhnt sind sie ja in Cuba, doch Ike 2008 war nach Berichten der schlimmste Hurricane, der das Land je traf. Und mittlerweile gab es weitere dieser Art. Besonders schlimm betroffen ist zum Glück nicht immer das gesamte Land, so war Viñales bis dato nicht erneut schlimm betroffen. Leider muss man wohl erwarten, dass der Klimawandel zukünftig häufiger solche Extremereignisse befördert. Wie die Campesinos damit dann zurechtkommen: Ich mag es mir gerade nicht ausmalen. Besonders ungerecht kommt mir auch an dieser Sättel vor: Die Bauern in einem Land wie Cuba leben sehr einfach. Auto fahren sie kaum, es gibt höchstens mal Hühnchenfleisch, ansonsten Gemüse. Die zwei Brüder hier leben mit nur wenigen Stunden Strom am tag. Sie haben den Klimawandel so ganz und gar nicht zu verantworten. Sie aber leiden darunter.
Ich kaufe mehrere Mamey, gebe die Menge Geld, die ich selbst für die kleine Führung für angemessen halte und verspreche, Fotos zu schicken, wie es andere “Amigos” aus den Touristen-Herkunftsländern auch schon getan haben. Alles Gute euch beiden hier auf der Farm!