Kuba – das ist für viele Menschen ein Sehnsuchtsland. Ich gehöre zu ihnen – schon seit mehr als zehn Jahren steht das Land ganz oben auf meiner Must-do-Liste des Reisens. Bröckelnde Fassaden, die morbide Romantik verströmen, Oldtimer, das gute Leben, Tanzen, Mojito. Und jetzt hab Ichs endlich geschafft, herzukommen. Und hoffe, dass meine Vorstellungen nicht allzu weit von der Realität abweichen. Schließlich ist auch Kuba schon länger nicht mehr aus der Welt gefallen und auch hier zählt es, Mythen und Träume teuer zu verkaufen. Zunächst heißt es: Sieben Tage Havanna, ganz in Ruhe die Stadt erkunden.
Die Wellen klatschen gegen die Brandungsmauer, wer zur falschen Zeit am falschen Fleck steht, wird sehr nass. Macht aber nichts, ist ja auch abends noch weit über 30 Grad warm. Vor allem viele Touristen legen es darauf an, mal eine ordentliche Dusche Atlantikwasser abzubekommen – das gehört zum Malecón-Feeling einfach dazu. Am unteren Ende der Uferpromenade spielen Jugendliche eine Mischung aus Fechtsport und Tanz mit Rasselmusik. Touristen beobachten das karibisch-Lebensfreude-verströmende Schauspiel und fotografieren.
Immerhin: Gut aussehende junge Menschen verbringen ihre Freizeit mit etwas, bei dem der Körper eingesetzt wird, und was auch nicht zur beruflichen Leistungssteigerung gedacht ist (auch wenn es wahrscheinlich durchaus so wirkt). Irgendwas muss anders sein in diesem Land. Richtig: Es gibt kein Internet, besser gesagt: nur sehr eingeschränkt.
Bis hierher bin ich den Malecon entlang gewandert. Ziemlich langsam, habe alles auf mich wirken lassen. Die Fassaden an der Uferpromenade, sie sind das deutlichste Zeichen, dass alles im Umbruch ist. Denn hier lohnt es natürlich am ehesten, zu renovieren. Wobei in vielen Fällen eher abgerissen wird. Wahrscheinlich ist die Bausubstanz oft zu marode, als dass man da noch etwas auf die sanfte Methode ausrichten könnte. Neue Hotels und Restaurants entstehen. Dass dazwischen immer noch die alten morbiden Fassaden mit dem ärmlichen Leben darin stehen, erscheint fast wie ein Wunder. Starke Kontraste, wie man sie in Europa so nicht kennt.
Ich entferne mich einen Block von der Uferpromenade und schon sehe ich keine frischen Renovierungen oder Neubauten mehr. Nur einige Häuser, die bereits völlig in sich zusammengefallen sind. Aber selbst darin leben Menschen. Die Calle San Lázaro war und ist eine wichtige Verbindungsstraße zwischen Centro Habana und La Habana Vieja. Auch wenn sie nur einige Meter vom Malecón entfernt ist, geht man auf ihr direkter von meiner Casa Particular ins eigentliche Zentrum La Habana Vieja.
Gerade Centro Habana ist noch stark echtes Kuba – auch wenn der Begriff überstrapaziert klingt. An jeder Ecke gibt es kleine Geschäfte für Grundnahrungsmittel, in denen Einheimische einkaufen. Wenn man sich dazugesellt, kommt man ins Gespräch. Das alles gilt aber auch für die Gegenden im Zentrum, die weiter südöstlich liegen. Auf der Straße herrscht überall Leben. Das mag auch an den dunklen und renovierungsbedürftigen Räumen innerhalb der Gebäude liegen. Aber es wird auch einfach auf der Straße gelebt, geplaudert, gespielt, etwas renoviert oder kleiner Handel getrieben.
Das ständige Renovieren gehört dazu, worin die Kubaner Meister zu seins scheinen: Improvisieren. Was da alles als Schlauch in Autos verbaut wird und wie man die alten Schlitten zusammenhält: beachtlich. Beruhigend ist da, dass mit den historischen Autos nie richtig schnell gefahren wird. Auto fahren auf Kuba ist generell sehr entspannt: Es gibt nicht gerade viel Verkehr, Stau kommt nur dort zustande, wo alle im Sightseeing Car die besten Plätze genießen wollen.
La Habana Vieja, das eigentliche Zentrum, bietet die Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt, hier lässt sich mancherorts Hemingway-like entspannt abhängen. Allerdings ist insgesamt nicht gerade die spannendste Gegend, dafür ist alles zu sehr auf Tourismus ausgerichtet. Das heißt, die Mainzelmännchen waren schon fast überall und haben reichlich kaputt-saniert. An manchen Stellen wie der Plaza de la Cathedral reihen sich Restaurants und Shops aneinander.
Ganz anders sieht es im Stadtteil Vedado aus, der sich am malecón Richtung Westen entlang zieht. Hier reihen sich sozialistische Bauten aneinander, teilweise großartige Bauwerke im Stil des Brutalismo. Auch Sportstätten, denen man die modernen Ambitionen der Bauherren ansieht, an denen heute aber einiges an Putz abblättert.
Das Hochhaus El Girón hat es mir besonders angetan. Man muss sich mal reinziehen: Hier liegt eine Wohnburg, wie eine modernistische Version der “Mauer” bei Game of Thrones aussieht – man vermutet kaum bewohnbare Zellen darin – direkt an der Uferstraße des Atlantiks. Nun gut – man muss von hier in Richtung Meer erstmal die sechsspurige Straße überqueren. In der Faszination dieses Bildes kommen mir absurde Gedanken wie, ob ich die Bewohner beneiden oder bemitleiden soll.
Der angenehmste Ort in der Altstadt
Mein Lieblingsplatz in La Habana ist die Plaza de Christo geworden. Zwar mitten im touristischen Ausgehviertel, mit größtenteils nicht perfekt restaurierten Gebäuden. Hier logiert man angenehm, aber nicht gekünzelt und bis spät in die Nacht. Highlight ist El Dany. Namensgeber ist ein mittlerweile verstorbener Freund des Besitzers, der den Spitznamen El Dany trug und diesem zumindest von der äußeren Erscheinung alle Ehre gemacht haben. Fotos von ihm hängen in der Bar: ein echtes Original.
Und natürlich lockt El Dandy auch heute Fashionistas an. Nachts übrigens noch mehr als tags, leider (oder zum Glück?) ohne Camera erlebt.
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