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Natur

In den Bergen

Alpenglühen in Albanien

August 18, 2019

Die Albanischen Alpen machen ihrem Namen alle Ehre. Die Gipfel im äußersten Norden Albaniens sind die spektakulärsten der Balkanhalbinsel und ähneln mit ihrem massiven Felsaufbau den Bergen in den nördlichen Alpen. Anders als im Hochgebirge Mitteleuropas ist man beim Wandern in den Bergen Albaniens an sonnigen Herbsttagen meist ziemlich allein unterwegs. Zum Glück gibt es auch einen Schutzheiligen für Bergwanderer und er nimmt seine Aufgabe sehr praktisch wahr.

Es sind die letzten Oktobertage. Das Wetter ist wunderbar für diese Jahreszeit. Hier in den Bergen im Norden Albaniens kann es im Oktober auch schon einmal richtig winterlich sein. Daher habe ich zum schönen wetter auch das Glück, dass nicht viele andere Reisende meine Idee geteilt haben. Es ist sehr wenig Betrieb im Valbonatal, das sich von Südwesten in die Albanischen Alpen hinaufzieht. Gestern habe ich mich an der Maja Rosit (übersetzt Rosengipfel) versucht, 2.524 Meter hoch – und musste feststellen, dass da oben dann doch schon mehr Winter herrscht als unten erwartet. Der eisige Wind – plus die fortgesetzte Zeit – machten meinem Aufstiegsversuch kurz vorm Ziel den Garaus.

Gipfel um das Valbona Tal

Heute steht meine Wanderung zum Valbona Pass und weiter ins Tal nach Thethi an – das wird eine tolle, aber auch anstrengende Tour, soviel steht fest. Also: Früh aufbrechen! Ich verlasse um Viertel vor sechs das Bett und bin um halb Sieben im Jeep meines Herbergsvaters die Schotterebene hinauf unterwegs in Richtung Talschluss.

Lange Schatten am frühen Morgen

Die Sonne strahlt erst die allerhöchsten Gipfel an. Beim Dorf Rrogam geht es mit dem Jeep nicht mehr weiter, hier beginnt nun das echte Wandern. Die alten Häuser aus massiven Felssteinen, wehrhaft gegen Unbilden des Wetters, liegen noch im ganz im Schatten.

Später am Tag im gleißenden Sonnenlicht: Traditionelles Haus des Hochgebirges

Es regt sich noch nichts im Dorf, die meisten Bewohner sind um diese Zeit Ende Oktober ohnehin nicht mehr im Dorf, sondern haben sich in die nahen Kleinstädte oder nach Shkodra oder Tirana zurückgezogen. Ich gehe also ganz alleine und unbeobachtet durch die Morgendämmerung und es ist verdammt kalt. Kurz hinterm Dorf auf einmal jemand, der dasselbe Ziel zu haben scheint. Er kommt quer des Wegs und ist entschieden schneller und zielstrebiger unterwegs als ich. Obwohl er über der Schulter ein kleines Transistorradio trägt, einen Forest-Blaster würde ich gern sagen.

Radio Maria: Der Sound in den Alpen Albaniens

Pjeter heißt er und es stellt sich heraus, er betreibt ein Café auf dem Weg zum Valbona Pass. Und er bietet mir an, dass wir gemeinsam aufsteigen. Ich find’s natürlich auch nett, ein wenig Gesellschaft zu haben, ich fürchte nur, dass sich allzu schnell meine komplette fehlende Fitness herausstellt. Und genau so ist es dann auch. Pjeter springt den steilen Weg fast bergauf, jünger als ich ist er auf keinen Fall, und als wir einmal anhalten, erzählt er, dass er Sinusitis hat, also eine Nasennebenhöhlenentzündung. Es geht einfach nicht wieder weg, macht ihn schon ein bisschen schlapp. Puh, denke ich, was hab ich dann so alles…? Bei einer kleinen Pause, in der ich erstmal wieder zu Atem zu kommen versuche, drückt er zwei Zigaretten weg. Dabei läuft als Soundtrack die ganze Zeit Radio Maria – ein katholischer Radiosender aus Tirana, der sich nicht scheut die größten kirchlichen bis poppigen Gassenhauer zu spielen, die irgendwie christlich-religiösen Hintergrund, Inhalt oder Sound haben. Ich find’s eine prima Situation. Pjeter erzählt, dass er während der Saison – die Wandersaison ist gemeint – eigentlich immer in seinem Café schläft. Nur jetzt in den letzten Tagen wurd’s ihm zu kalt und dann schläft er im Dorf, durch das ich auch gerade gegangen bin und das über mehrere Hügelketten verstreut liegt und dabei größer als gedacht ist. Im Winter lebt Pjeter übrigens in Shkodra, das gefällt ihm aber gar nicht, er ist viel lieber in die Natur hier oben in den Bergen. Irgendwie erinnert er mich an jemanden, eine Berühmtheit. Ich komme noch nicht drauf

Auch nach der Pause komme ich leider einfach nicht mit. Ich muss ihn ziehen lassen, was mir schon reichlich peinlich ist. Lächerlich, vor allem, weil ich noch viele höher hinaus will.

Es ging dann noch ein steiles Schlussstück zu Pjeters Café hinauf – Café Simoni heißt es. Indoor und outdoor gehen hier ineinander über, alles ist ein bisschen improvisiert, wie man es an einem Platz ohne Strom- und Wasserversorgung nicht besser machen könnte. In eine Hütte kann man bei schlechtem Wetter ausweichen, in einer weiteren ist Pjeters Schlafplatz untergebracht.

Ich bekomme erstmal einen Kaffee und bleibe noch ein wenig zum Plaudern. Der Rastplatz im Wald wird von der flach einfallenden Morgensonne durchflutet, die Strahlen, vom Laub gebrochen, tauchen die Szenerie in ein unwirkliches Licht. Eigentlich ist das so ein perfekter Moment, ich bekomme Hochgefühle von einer Robinsonade oder dem “Morgen der Welt”.

Wärme zieht ein nach einer kalten Herbstnacht
Viel Außenbereich

Pjeter betreibt das „Café“ bis zum Einbruch des Winters, die kalten Monate über lebt er in Shkodra im Norden Albaniens. Zum einen liebt er es, in der Natur zu sein, zum anderen ist seine Passion, eine Proviantstation zu bieten für alle, die hier unterwegs zum Pass oder zu den Gipfeln sind. Man kann ihn also mit etwas Pathos als leibhaftigen Schutzheiligen der Albanischen Alpen nennen – ein Schutzheiliger, der seine Aufgabe im Hier und Jetzt ganz wörtlich nimmt.

Pjeter macht es sich in seiner Hütte, besser gesagt, in seiner Hüttenlandschaft mit reichlich Outdoor-Platz gemütlich und wartet gespannt, wer heute noch des Weges kommt. Allzu viele dürften es nicht sein.

Aber ich bin ja nicht wegen des Cafés hier, sondern möchte auch noch im morgendlichen Licht weiter hinauf wandern. Ich nehme den Valbona Pass ins Visier und danach gegebenenfalls weiter ins Tal von Theth auf der anderen Seite. Bis zum Pass seien es lediglich eineinhalb Stunden, meint Pjeter. Naja, denke ich, mal sehen – man kennt ja die Zeitangaben der Leute in den Bergen. Bei ihnen gehen die Wege immer etwas schneller als bei Bergtouristen mit zweifelhafter Fitness wie mir. Bei gleichmäßigem Schritt schaffe ich es tatsächlich in weniger als zwei Stunden und gehe noch ein wenig weiter Richtung Tethi, ohne allerdings ganz dahin abzusteigen. Der Rückweg würde erneut 1.000 Meter bergauf plus anschließendem Abstieg bedeuten.

Der Blick hinunter ins Valbona-Tal ist atemberaubend schön. Perfekte Herbst-Landschaft.

Beim Abstieg mache ich natürlich noch einmal bei Pjeter Halt. Bei der Ankunft hat der Schatten der zackigen Gipfeln gerade eine scharfe Line durch die Szenerie gezeichnet, halb liegt das Gelände noch im Sonnenschein. Gerade hat sich das Café gefüllt: sechs Jugendliche, die hier den physischen Teil ihrer Prüfungen zum Duke of Edinburgh Award absolvieren – eine Art Reifeprüfung auf allen Ebenen – machen hier gerade Pause, samt Betreuern. Für den Kaffee und den Schnaps, den Pjeter mir gibt, will er nichts bekommen – ein wahrer Schutzheiliger, der hoffentlich hin und wieder auch an sein eigenes Auskommen denkt.

Und jetzt weiß ich auch, an wen er mich erinnert – Tommy Lee Jones (oder?).

Auch Arthur ist zu Gast bei Pjeter, er bespricht mit den Guides der jungen Award-Teilnehmer eine mögliche Tour, Arthur ist Bergguide und führt Bergwanderer über die Peaks of the Balkans. Die gesamte Tour verläuft zehn Tage durch die Gipfelregionen von Albanien, Montenegro und Kosovo. Okay, das nehme ich mir für ein anderes Mal vor. Erstmal wandere ich mit Arthur zusammen zurück ins Tal und bekomme durch seinen Vater noch eine bequeme Rückfahrgelegenheit zu meiner Pension geboten. Abends falle ich ermüdet, aber zufrieden ins Bett. Beim Abendspaziergang hier im unteren Valbona-Tal, wo die Gipfel noch enger beieinander stehen, sehe ich neben meiner Pension noch eine wertvolle Hinweistafel: Wie verhalten, wenn man einem Bären begegnet – sich laut bemerkbar machen, nicht wegrennen, sondern laut reden und langsam den Rückzug antreten. Der Hinweis wäre für die heutige Wanderung zu spät gekommen, aber ich bin sicher, ich hätte es ähnlich cool gemacht.

Pension Rilindja im Valbona Tal
In den Bergen

Die Natur als Künstlerin: Alpenfluss Soča in Slowenien

Oktober 11, 2017

Die Soča durchfließt die slowenischen Alpen vom Triglav Nationalpark bis in die Küstenebene der Adria bei Trieste. Die Klammen mit verblockten Felsen sind genauso spektakulär wie die Farbe des Alpenflusses.

Das ist ja wirklich so blau wie auf den Fotos, die ich zuvor gesehen habe. Wenn man sie denn mal sieht, die Soča. Denn an vielen Stellen stehen die Felswände, durch die sich der Fluss zwängt, verblockt und verdecken den Blick aufs Wasser. Eine wilde Klamm hat sich die Soča hier in den Kalkstein der Julischen Alpen gegraben. Spektakuläre Abschnitte gibt es einige, wie zum Beispiel hier etwas unterhalb des Dorfes Soča. Beim Kamp Soča und dem Dorf Podklanec starten Pfade, die eine der pittoreskesten Abschnitte begehen. Ich biege ab und zu vom Pfad ab. Sehr schön: Man wird nicht auf langweilige Holzstege gezwungen, die die wilde Natur in eine zivilisiertes Korsett zwängen. Vielmehr geht es kreuz und quer über die Felsen und ich kann mich auch schon mal über den Abgrund lehnen und dem lauten Rauschen und Gurgeln unter mir zuhören.

Was weiteres Staunen erzeugt: Die Farbe ändert sich je nach Lichteinfall, Sonnenschein, Fließgeschwindigkeit und Untergrund. Stromschnellen sind natürlich etwas tolles, aber das ruhige Wasser bietet das intensivste Blau beziehungsweise Türkis.

Berühmt ist die Sofa nicht nur für ihre spektakulären Klammen, auch weiter unten fließt der Fluss naturbelassen in einem breiteren Bett und das ist im Alpenraum sehr selten, fast schon einzigartig. Hoffentlich bleibt dies auch so. Es gab bereits Pläne, die Soča zwecks Energiegewinnung aufzustauen – was eine Sünde höchsten Grades wäre.

Die Hängebrücken verstärken den Abenteuercharakter der Landschaft. Sie haben meist schon bessere tage gesehen und sind schwingungsintensiv.

Eine echte Konkurrenz erwächst – oder besser erfließt – der Soča im eigenen Nebenfluss: Das kurze Flüsschen Tolminka, das bei Tolmin in die Soča mündet, bildet die Tolminska Korita. Am Grund dieser fast 100 Meter tief eingegrabenen Klamm erahnt man nur gerade so, dass es mitten am Tag ist. Die Sonne scheint dann gerade mal durch die kleine Öffnung der Schlucht hinein.