Diese Straße will einfach nicht enden. Seit einer Stunde nichts als: Linkskurve, Rechtskurve, Linkskurve, Rechtskurve. Continue Reading…
Er ist der höchste Berg der Britischen Inseln außerhalb der Schottischen Hochlande und der König von Wales: Mount Snowdon. Auch wenn seine Höhe mit 1.085 Metern bescheiden klingt, verlangt er einem einiges an Kondition ab. Doch die Mühen lohnen. Bilderbuch-Landschaft in tausend Grüntönen und eine atemberaubende Aussicht.
Ich war immer gut in Geographie und ohne dass ich das will, schwirren mir immer noch die Gipfelhöhen deutscher Mittelgebirge im Kopf wie Ohrwürmer von Radio-Werbeslogans: Sind halt drin, gehen nicht mehr raus. Beim Betrachten der höchsten Berge Britanniens auf der Karte dachte ich daher immer: Oje, richtige Berge gibt’s ja dort nicht. Irrtum! Die Meereshöhen liegen zwar im Bereich von Fichtelgebirge, Rhön oder bestenfalls Bayerischem Wald. Was man dabei jedoch bedenken muss: Unten, am Fuß der Berge ist meistens Null. Meereshöhe, es geht also die gesamte Höhe in einem Rutsch hinauf. Je näher man dabei der Westküste kommt, ob in Schottland oder Wales, umso schroffer greifen Meer und Land ineinander und umso malerischer wird die Landschaft.
Und – umso mehr regnet es. Eine Wanderung von geschätzt 7 Stunden (bei bumsfideler körperlicher Verfassung – für uns wird es also eher länger dauern) möchte man nicht unbedingt angehen, wenn es regnet, stürmt oder neblig ist, zumal der Berg mit seiner Aussicht dann knausert. Also abwarten mit der Wanderung auf den Mount Snowdon bis zu einem Schönwettertag. Und an unserem letzten Tag in der Region war der da: Sonne pur, das glatte Gegenteil der letzten Tage.
Auf dem Weg zum Mount Snowdon locken leider erst einmal viele idyllische Plätze zum Haltmachen und kurz aussteigen. Das Tal des Afon Glaslyn verzaubert mit Lichteinfall in dunkle Miniaturschlucht, auch wenn sich durch die Schluechtd er Verkehr quetscht. Der tut das aber ganz gemächlich, der Verkehr. Die Straßen sind so eng, bei nur minimalem Abweichen eines Autos von der Idealroute wäre unweigerlich Blechschaden zu beklagen. Das Dörfchen Beddgelert (ja, der Diminutiv muss sein) liegt sehr hübsch an einer steinernen Brücke und ist einen Zwischenhalt wert.
Wie der Llyn Gwynant, ein kleiner See auf der Südseite von Mount Snowdon sein Blau zwischen die vielen Grüntöne der Landschaft funkelt, muss von einem Aussichtspunkt oberhalb des Sees gewürdigt werden.
Etwas weiter oberhalb liegt dann der Parkplatz Pen-y-Pass, von wo aus wir starten. Der Weg von hier hat zwar die geringste Höhendifferenz zum Gipfel, aber der am leichtesten zu gehende ist er nicht, hier und da muss man die Hände zur Hilfe nehmen. Ehre gerettet!
Halb Britannien scheint unterwegs zu sein, dass es bei den seltenen Sonnentagen hier nicht gerade einsam zugehen würde, war klar. Was mich begeistert: Ganzen Großfamilie wandern den Berg hinauf. Man scheint die Besteigung eines der drei höchsten Berge des United Kingdom sehr ernstzunehmen. Die wenigsten werden aber wohl die National Three Peak Challenge absolvieren. Dabei geht es darum, die höchsten berge Schottlands, Englands und Wales’ innerhalb von 24 Stunden zu besteigen, mit motorisiertem Transfer natürlich. Die Gruppen, die hier eine normale Tageswanderung hinlegen und dabei zwischen Flipflops und Stiefeletten bis zu perfekter Outdoorausrüstung verschiedenstes aufbieten, haben so ziemlich alles zu bieten: Hunde, Kleinstkinder, auch Urgroßmutter kommt mit.
Die Aussicht ist großartig, schon auf einem Viertel des Weges, die vielen kleinen Seen in den Tälern ringsum. Wir haben einen Tag mit perfekt klarem Wetter erwischt. Etwas unterhalb des Gipfels berichten uns redselige entgegen kommende Wanderer (haha, beim Abstiegt kann ich das auch!) davon, dass sie vor einer Stunde auf dem Gipfel das großartige Schauspiel geboten bekamen: Der leichte Nebel, der gerade noch da war, verzog sich gerade. “Was für ein Augenblick.” Ja, ja, der ist uns wegen der schönen Landschaft auf dem Weg erspart geblieben. Nunja, ist auch so toll.
Im warmen Nachmittagslicht oberhalb der subalpinen Landschaft geht es wieder bergab. Und zwei Stunden bevor es dunkel wird, laufen uns ein paar Supersportler entgegen, den Berg hinauf. Wollen wohl noch eben einen Berglauf absolvieren, oder sind sie spät dran bei ihrer National Three Peaks Challenge?