Geschichte und Weinbau verbinden die Südsteiermark mit der slowenischen Untersteiermark (Slovenska Štajerska). Das Weingut Gross im österreichischen Ratsch bewirtschaftet neben heimischen Lagen auch Flächen im nahen Slowenien. Bei meinen Besuchen erlebe ich sanfte Hügel, frische Weine und die vielfältige Arbeit bei der Weinproduktion. Continue Reading…
Wein ist in aller Genießer Munde. Die Ansprüche wachsen. Für Produzenten heißt das: Alles tun für gute Erträge und gleichbleibend hohe Qualität. Aber Wein ist eben auch Naturprodukt. Die Natur lässt die Reben gedeihen und ist mitunter launig. Winzer Hannes Söll ist der Ansicht: Zu viel Bearbeitung schadet eher, die Reben sollen von selbst wachsen. Auf seinem Weingut in der Südsteiermark verfolgt er einen entsprechenden Ansatz mit Erfolg.
Jetzt gräbt er schon wieder etwas aus: Eine ziemlich dicke Knolle! Nase drangehalten: Es riecht intensiv nach frischem Meerrettich. Die Knolle wächst hier einfach so am oberen Ende der Weinlage.
Aber nicht nur sie – auch kleine Nussbäume kann man alle paar Meter ausgraben, zahlreiche Kräuter und Heilpflanzen finden sich. Und das Gras wächst sowieso recht hoch. Kein Wunder: es wird auch mit der Sense per Hand gemäht. Nur: Wie verträgt sich all das mit den Reben? Brauchen die nicht die ganze Kraft des Bodens für ihr eigenes Wachsen? Hannes Söll sagt: “Nein”. Die größte Konkurrenz für eine Rebe sei die ihr nächststehende Rebe. Wachsen zu wenige andere Pflanzen in der Umgebung der Reben, dann herrscht Armut im Boden und die Reben graben sich gegenseitig Saft und Kraft des Untergrunds ab. Monokultur sei von der Natur nicht vorgesehen. Eine große Vielfalt an Pflanzen auf kleinem Raum führe dagegen zu Nährstoffreichtum.
Söll stellt seine Philosophie und Arbeitsweise bei einem Rundgang durch seinen Weingarten in Steinbach vor und und als Besucher bekommt man dabei auch schon einmal den Spaten in die Hand gedrückt. Ein bisschen graben zur Demonstration. Was hier so alles wächst! Aber auch, wie locker und lebendig sich die Erde anfühlt, erstaunt. Letzteres rührt von der Vielfalt an wildem Wuchs und der extensiven Behandelung des Bodens. Den lässt Söll nämlich so weit es geht in Ruhe.
Der Wildwuchs gefällt übrigens auch Rehen, die nicht unbedingt willkommen sind, da sie sich gerne an den Reben bedienen. Söll versucht, sie mit menschlichem Haar abzuhalten. Das klappt nur nicht immer optimal. Doch auch andere Tierarten lieben einen naturnahen Weingarten – Insekten und andere Kleintiere zum Beispiel. Und wenn es denen gut geht, haben alle etwas davon, schließlich sind viele Insekten für die Bestäubung von Pflanzen zuständig und ihr massiver Schwund in unsere Kulturlandschaft während der letzten Jahrzehnte bedroht unsere Nahrungsmittelversorgung.
40.000 Kinder, viele Punks darunter
Seine Reben betrachtet Hannes Söll als seine Kinder – 40.000 mögen es wohl sein. Wie man es mit Kindern tut, so ist Söll auch für seine Kinder da und schaut, was sie brauchen, um gut zu gedeihen. Zu viel Hilfe und Betreuung solle es aber gerade nicht sein. Vielmehr sollten die Reben von Beginn an lernen, alleine mit den Herausforderungen ihrer natürlichen Umgebung zurechtzukommen: Niedrige Temperaturen zum Beispiel, Frost, Nässe, andere Pflanzen, die sich an den Nährstoffen im Boden gütlich tun. Das sollten die Reben aber hinbekommen, so Söll. Schließlich sei in jeder Zelle das Programm zum Überleben gespeichert, man müsse es nur laufen lassen. Eingriffe von außen behinderten demnach nur dieses Programm. Ein natürliches Gleichgewicht, das könne nicht der Winzer durch Düngung oder chemischen Pflanzenschutz erreichen, das könne nur die Natur selbst herstellen.
Das Prinzip Eigenverantwortung will er seinen Kindern also beibringen. Und so geht er auch nur dreimal im Jahr durch den Weingarten, während andere Winzer 10 oder 12 mal im Jahr ihre Reben bearbeiten. 40.000 Kindern ständig die Haare schneiden zum Beispiel klingt aufwendig. Und so schneidet Söll ihnen eben nicht ständig die Blätter. Auf das Abschneiden von Blättern, die den Rebstock mit Nahrung versorgen, reagiert dieser nämlich mit dem Austrieb von Ersatzblättern – sogenannter Geiztriebe. Das hört sich schlecht an und das ist es auch. Der Geiztrieb versorgt den Stock nämlich zunächst 30 Tage lang nicht und verwertbare Trauben trägt er später auch nicht. In der Folge muss gespritzt werden. Darum bleibt an den Söll’schen Reben Wildwuchs erst einmal hängen. Man sieht es ihnen an: Um beim Haareschneiden-Vergleich zu bleiben: Wahre Punks mit wirren Frisuren finden sich unter den Reben, wo andernorts der genormte Kurzhaarschnitt dominiert.
Besser gewappnet gegen Klimaextreme
Wachsen sollen die Kinder auch von selbst. Auf Düngung verzichtet der Winzer gänzlich. Das schont zum einen natürlich den Boden. Zudem wachsen die Trauben aber auch langsamer, wodurch die Wurzeln bis in tiefere Schichten reichen und mehr Mineralien aufnehmen – und ein Mehr an Geschmack gleich mit. Langsameres Wachstum und tiefe Verwurzelung machen sie aber auch widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten. Und so kann Hannes Söll auf Pestizide weitgehend verzichten, was noch einmal die Umwelt schont.
Und das langsame Wachstum hat einen weiteren wichtigen Vorteil: Es macht unabhängiger von klimatischen Extremereignissen. Häufig kommt es zu spätem Frost Ende April, gepaart mit Regen. Wenn die Reben dann bereits ausgetrieben haben, gehen viele ein. Bei Hannes Söll treiben sie dagegen erst im Juni aus und so ist er von Frösten und Feuchtigkeit im späten Frühjahr weniger betroffen.
Ein besonderes Tröpfchen
So eine Führung durch den Weingarten ist nicht nur informativ, auch die Stimmung nimmt in ihrem Verlauf Fahrt auf. Schuld daran sind die Erzeugnisse der Söll’schen Weinberge. An jeder Station gibt es nämlich eine Rebsorte zu verkosten. Welschriesling, Weißburgunder, Sauvignon Blanc, Gelber Muskateller.
Denn gibt es noch einen roten Machrima: Ma – was? Ich bin nicht der größte Weinkenner, die gängigen Rebsorten kenne ich aber und diese ist mir noch nie untergekommen. “Das ist die Abkürzung für Matthias, Christian, Maria. Unsere drei Kinder.” – Ahh. Alle übrigens in sehr guten Jahrgängen zur Welt gekommen – ein gutes Omen!
Die Dramaturgie der Weinfolge stimmt, die Aufmerksamkeit sinkt hoffentlich nicht in dem Maße wie die Stimmung steigt. Denn zum Ende gibt es noch einen Höhepunkt. Die Gruppe, die neben mir zum größten Teil aus der Belegschaft einer obersteirischen Bank-Filiale besteht, wird in den Keller geführt. Der Keller ist wirklich einer: eng und in altem Gemäuer. Auch hier weicht Söll bei manchen Dingen von der Praxis anderer Weinbauern ab. So reguliert er die Temperatur des Weines nicht. Variiert der Wein bei Temperatur im Vergleich zum Vorjahr, wird er auch anderes schmecken als in anderen Jahren. So ist das eben – Wein ist Naturprodukt, womit wir wieder beim Thema wären.
Neben anderen Fässern lagert hier ein besonderer Schatz. Hannes Söll stellt den Inhalt eines Fasses vor, in dem er vor 15 Jahren Süßwein eingelagert hat und mit diesem bei Lagerung und Gärung seither experimentiert. Natürlich gibt es auch von diesem einen kleinen Schluck zu probieren. Wenn ich schreibe, der Geschmack liegt zwischen einem süßen Auslese-Wein, Sherry und einem edlen Weinbrand, trifft es das nur unzureichend. Denn das ist einer der köstlichsten Tropfen, den ich je im Mund hatte.
Flüssige und feste Leckereien
Die Führung ist beendet, der Pegel gut eingestellt – sowohl der Wein- wie auch der Wissenspegel. Nun bedarf es einer Grundlage im Magen. Die kommt auf der Terrasse des Weinguts in Form einer Jause daher. Der lange Tisch quillt über vor Schinken, Salami, verschiedenen Käsesorten, Käferbohnensalat und anderen Leckereien aus eigener Produktion.
Alles badet wohldosiert in Kernöl. Die Weinbewanderten genießen die Produkte der Umgebung, während sie inmitten herbstbelaubter Hügel in der Oktobersonne sitzen. Dazu laufen weitere Flaschen guten Weins leer. Ein ziemlich perfekter Tag im Rebenparadies. Das alles mit dem beruhigenden Wissen, dass man die Zutaten zu solch einem opulenten Mal auch zu naturschonenden Bedingungen anbauen und produzieren kann.
Jeder kann etwas tun
Hannes Söll gibt dann auch den Teilnehmern der Weinwanderung ein Anliegen mit auf den Weg: Wir alle können etwas dazu beitragen, die Biosphäre zu schützen, der wir solch Köstliches wie den Wein der Südsteiermark zu verdanken haben. Regional und saisonal konsumieren, Massenware meiden. Bei alltäglichem Handeln einfach mal an die Konsequenzen denken. Eigentlich selbstverständlich, vielfach heruntergebetet und doch oft nicht befolgt. Hier beim naturnahen Weinbau wird alles greifbar. Allerdings werden viele Besucher einer so schönen Landschaft kurzfristig zu großen Naturschützern. Der Missing Link zum Handeln – wer baut ihn?
Naturnah arbeitende Weinbauern jedenfalls nehmen ein hohes Risiko in Kauf. Söll hat nach seinen Lehrjahren das elterliche Erbe auf einem konventionell wirtschaftenden Hof ausgeschlagen und einen eigenen Hof eröffnet, um seine Philosophie zu verfolgen. Das System jedoch, das auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet ist, belohnt nachhaltiges Denken und Handeln nicht eben. Zwar hilft die naturnahe Bewirtschaftung, Arbeit und Materialeinsatz einzusparen. Besonders profitiert die Umwelt, der Pestizide erspart bleiben, ebenso wie unser aller Gesundheit. Dauerhaft zahlt sich eine schonenden Behandlung des Bodens allemal für die Erträge aus. Doch bis Hannes Söll so weit war, dass sich seine Bewirtschaftungsweise auch für seinen Hof auszahlte, dauerte es. Gerade zu Beginn ist das Risiko von Missernten hoch, sagt der Winzer. Banken jedoch verlangen pünktliche Ratenzahlungen bei Kreditvergabe. “Da gibt es eine schwierige Zeit, die man einfach überstehen muss”, sagt Söll. Insofern sind die Bankbediensteten vielleicht das passendste Publikum für einen Rundgang.
Edel, ökologisch und sozial
Für Söll spielt neben der Naturverträglichkeit seines Wirtschaftens auch der Faktor Mensch eine große Rolle. Seine Reben werden fast ausschließlich von Hand bearbeitet und auch bei der Verarbeitung kommt neben Maschinen viel menschliche Arbeitskraft zum Einsatz. Man kann es sich gut vorstellen, dass menschliche Erfahrung und Hände am besten mit dem notwendigen Feingefühl auf die individuellen Bedürfnisse der Reben eingehen. Gleichzeitig werden auf diese Weise Menschen in die Herstellung des Terroir-Produkts Wein einbezogen. Ökologisch und sozial geht eben auch gut zusammen.
Der Verkauf am Weingut geschieht im historischen Sudhaus, das mit seinen verwitterten Holzbalken im Innern irgendwie zur Hartnäckigkeit seines Besitzers passt, der dem Zeitgeist des “immer mehr, immer schneller” erfolgreich trotzt. Darin kann man auch eine Kleinigkeit essen oder auch nur eine kleine Weinprobe nehmen.
Wer auf dem Weingut Söll inmitten schöner Rebenberge längere Zeit verbringen möchte: Es gibt fünf modern eingerichtete Zimmer. Dass man dann nachts im Mondschein Hannes Söll durch seine Reben streifen sieht, muss man eher nicht erwarten. Denn auch wenn der Weinbauer sich bei Lese wie anderen Arbeiten nach Mondphasen richtet, wird die Arbeit wohl eher tagsüber verrichtet. Wenn man bedenkt, welche Wirkungen der Mond auf den Meeresspiegel hat, warum soll er nicht den Zustand von Pflanzen beeinflussen, deren Inneres weitgehend flüssig ist..
Einmal von Nord nach Süd geht es über die Insel Santo Antão. Und bei dieser kurvenreichen Fahrt wird klar, dass dies nicht nur die grünste sondern auch die vielfältigste Insel der Kapverden ist. Im trockenen und sonnigen Westen der Insel geht es die Bordeira de Norte hinauf, die Geländestufe zum vulkanischen Hochland, wo man sich ein wenig aus der bewohnten Welt hinausgeworfen fühlt.
Dass sich die schönsten Aussichten dieser Insel nicht leicht erschließen, das weiß ich mittlerweile. Aber dass sie mir während meines gesamten Aufenthalts verschlossen, besser gesagt: verschleiert bleiben, ist dann doch betrüblich. Ganz oben auf dem Inselrücken herrscht dichter Nebel. Die Menschen, die hier an der Straße leben, laufen in dicken Jacken herum. Es scheint nichts Außergewöhnliches zu sein, dass es hier oben am Morro Conceicão in fast 1.400 Meter Höhe regnerisch und kühl ist. Wie schön die Aussicht in alle Richtungen sein muss, kann ich nur erahnen. In Corda auf der Nordseite der inseldurchquerenden Straße schien noch die Sonne durch diesige Wolken. Eine seltsam abgeschiedene Stimmung herrscht gerade in dem Dorf, das weit oberhalb der Küste liegt und dem Meer damit schon fern, obwohl es keine 10 Kilometer Luftlinie entfernt ist. Die Menschen wirken viel zurückhaltender als in den Orten an der Küste. Sie leben auch nicht so selbstverständlich draußen auf der Straße, sind viel mehr in ihren Häusern, was natürlich mit dem kühleren Klima zu tun hat.
Gleichzeitig tun die terrassenförmigen Felder und einzelne Zypressen so, als sei das alles ein irgendwie warmes Terrain. Die Zypressen stechen so übertrieben lang und spitz in den Himmel, als wollten sie ihre Vereinzelung wettmachen und mit aller Macht an die Toskana erinnern.
Zypressen
Auch Corda liegt schon sehr hoch. Unterhalb von Corda liegt die spektakulärste Stelle der Straße. Am Delgadim nimmt die Straße die gesamte Breite des Berggrats ein. Zu beiden Seiten fallen die Felswände hunderte Meter steil ab. Die Bergrücken reihen sich hintereinander wie Krokodilsrücken. Wolken und Nebel geben dem Ganzen eine besondere Atmosphäre.
Bis genau zu dieser Stelle hat mich Jose gestern bereits gefahren. Ich bin von hier aus die Straße zurück nach Ribera Grande gewandert, langsam an die Küste hinunter, in vielen Serpentinen. Da kannte ich noch nicht die Passstraße Richtung Süden und dachte beim ersten Haus unterhalb von Delgadim: Das ist das höchstgelegene Haus weit und breit. Hinaus trat kurz zuvor Manuel. Der Vater von vier Kindern ging über die Straße, um über eine kleine Kuppe dorthin zu gehe, wo es nur nach Abgrund aussieht. Ich bin ihm gefolgt und habe mir angesehen, wohin er geht.
Mit seinem 20-Liter-Plastikkanister ging er an der praktisch senkrechten Wand entlang, um einen Talschluss im Halbrund herum. Geschätzte 60 Höhenmeter tiefer verschwindet er unter Bananenstauden. Als er zurückkommt, nach verdammt kurzer Zeit – ich hätte sicher das Dreifache gebraucht – erklärt er mir, dass da unten ein kleiner Wasseraufschluss ist. Beim Hinaufklettern über den steilen Pfad trägt er den wahrscheinlich 20 Kilo schweren Kanister auf dem Kopf und absolviert den Weg fast tänzelnd. Dabei hat er die ganze Zeit ein Lächeln auf den Lippen, als wäre das hier das Leben, das er sich ausgesucht hat.
Dass de Landschaft hier oben schon relativ trocken erscheint, irritiert ein wenig, schließlich habe ich die letzte Nacht in etwa zwei Kilometer Luftlinie Entfernung verbracht und dort wähnte ich mich im Regenwald. Das Geheimnis ist, dass die Feuchtigkeit in der Luft, weil in den Bäumen liegt. Und mein Domizil lag ganz unten im Talkessel, während wir uns hier über den meisten Wolken befinden.
Im Tal von Xoxo hat man das Gefühl, die Berge würden in den Himmel wachsen. Die Tatsache, dass man die Spitzen nicht sieht und es von oben einen beständigen Nieselregen gibt, verstärkt dieses Gefühl natürlich.
Völlig unbeirrt und wie aus einer anderen Welt erscheinen mir als Reisendem die Einheimischen, die sich die steilen Pfade mit Eseln und schwer bepackt hinauf und hinab quälen. Wo ist das Ziel da oben? Es gibt immer noch ein Mini-Dorf, oder besser gesagt: eine Ansammlung von Häusern, die noch weiter den Berg hinauf liegt. Man sieht sie nur von unten oft nicht. Ich hätte den Weg vom Talk von Xoxo zum Aussichtspunkt Delgedim zu Fuß absolvieren können, das schlechte Wetter hat mir diese Idee ausgeredet. Scha
Und dieses Immer-weiter-hinauf zieht sich dann über den gesamten Inselrücken. Wo man am höchsten ist, sieht man wie beschrieben leider nicht aufgrund des schlechten Wetters.
Jenseits der Wasserscheide af der Südseite des Vulkans wird es auf einemmal trockener, aber auch unspannender. Super dass man plötzlich nach Süden zum Meer bei Porto Novo blicken kann.
Die Südsteirische Weinstraße ist ein echter Panoramaweg. Wein und Jause im Buschenschank genießt man in Lagen, die mindestens zu einer Seite eine tolle Aussicht bieten. Ganz besonders ist mein Herz gewonnen, wenn ich in einer Stube mit historischem Interieur sitze und verwitterte Holzbalken den Himmel tragen. Zwei Beispiele, für die das Wort “urig” im besten Sinne angebracht ist.
Köstliches aus der Küche, als Krönung: Kernöl und Kriecherl
Schönes Ambiente, gutes Essen und sympathische Wirtsleut: Passt irgendwie alles im Wirtshaus Schramm. Das Gemäuer war ein altes Winzerhaus und das sieht man ihm auch heute noch an. Die Landschaft betrachtet man durch kleinen Fenster. Mit der authentischen Holzbohlendecke und den roh verputzen Wänden kommt so auch abends Gemütlichkeit auf.
Warmes Licht und eine eben solche Atmosphäre prägen die Gaststube. Die vielen Sonnenblumen, die sie jetzt im Herbst schmücken, unterstreichen das und beleben zugleich. Teils schmückt hölzernes Mobiliar aus historischen Zeiten die Räume, teils ergänzen liebevolle Details die Gaststube.
Das Äußere passt wiederum perfekt zur Küche des Hauses. Denn hier wird hochklassig und gleichzeitig regional und saisonal gekocht. Herta Schramm nutzt beste Zutaten von den Landwirten der Umgebung. Die Karte ist übersichtlich – das zeugt davon, dass man sich hier auf die Kernkompetenzen konzentriert. Beiriedschnitte, Saiblingfilet aus heimischen Teichen sowie das typische steirische Backhendl stehen auf der Karte. Ein Genuss auch das Schweinefilet mit Schwammerlrisotto.
Räumliche Offenheit und die Nähe zur Theke prägen die Stimmung. Denn das wohlschmeckende Essen und die guten Getränke werden im Restaurant Schramm von herzlichen und kommunikativen Menschen präsentiert. Da wird auch mal ein Wein empfohlen, der mir bestimmt schmecke, da mir ja dieser und jener andere zuvor ja bereits mundete. So klappt das mit dem Wohlfühlen.
Das lässt erahnen, dass ich mein Urteil zumindest innerlich bereits fällte, bevor die fortgeschrittenen Weine an der Reihe waren. Die kommen selbstverständlich von Weingütern der Region. Das Spannende daran: Ist man schon ein paar Tage der Gegend, verbindet man mit manchen Namen einen bestimmten Ort, den man bereits erwandert oder zumindest gesehen hat. Das gibt dem Genuss eine weitere Dimension. Man trinkt förmlich ein Stück der herrlichen Umgebung. Mein Favorit hier: Roter Sernauberg – ein edler Granat zwischen den vielen Weißen.
Wo Steirer Köstlichkeiten servieren, da bleibt kaum ein Gericht Kernöl-frei. Auch nicht das Eis. Und das ist auch gut so. Schwer vorstellbar vielleicht, aber mitsamt den Kürbiskernen als Krokant wächst hier zusammen, was zusammen gehören darf.
Auf all die Köstlichkeiten zum Abschluss einen Kriecherl. Die Frucht, der dieses Wässerchen zu verdanken ist, nennt man in weiten Teilen der deutschsprachigen Welt auch Mirabelle. Aber ehrlich: Klingt Kriecherl nicht irgendwie besser oder zumindest lautmalerisch? Wichtig: beim Vokal Mund in die Breite ziehen, das “ch” hart aussprechen. So wird das nach dem umfangreichen Mahl unweigerlich aufkommende Völlegefühl im Bauch förmlich zerhackstückelt.
Dabei ein kleines Gespräch mit Werner Schramm, der es genau wie ich schwer verstehen kann, dass viele Menschen bei dem, was sie über ihren Körper ziehen mehr Wert auf Luxus und Status achten, als bei den Dingen, die den Weg in den Körper finden. Zur Untermalung reicht er mir zum Abschluss naturtrüben Apfelsaft und Traubensaft aus der Gegend – so wie sie natürlich schmecken.
Auch außerhalb der von mir so geschätzten Gaststube ist es schön im Gasthaus Schramm: Die Terrasse liegt unmittelbar oberhalb steil abfallender Weinberge, man blickt über ein weites Tal auf die Hügel und Berge im Süden, die sich von hier aus gesehen malerisch übereinander türmen.
Gleich neben der Terrasse lässt sich zudem auf ein paar Liegestühlen chillen.
Altes Steinhaus
Noch etwas uriger sieht es im und rund um das Steinhaus des Weinguts Silly aus. Die gesamte Bausubstanz des alten Winzerhauses ist authentisch geblieben, mit Pergola-überdachter Terrasse. Hier ist allerdings kein richtiges Restaurant eingezogen, vielmehr gibt es hier zum Wein das, was Gerald Silly gerade anzubieten hat. Dabei achtet er darauf, dass es sich um beste saisonale Erzeugnisse der Region handelt.
Am historischen Herd in der Küche, die den Luxus des Einfachen versprüht, werden Kleinigkeiten wie Kaiserschmarrn oder ein Parmesan mit Isabellatraubengelee zubereitet.
Man kann diese Örtlichkeit aber auch für ein opulenteres Mehr-Gänge-Menü buchen.
Und so speist man in der gemütlichen Stube genauso gut wie auf der Terrasse mit wunderschönem Ausblick nach Slowenien. Wobei – wenn man ganz genau ist, befinden wir uns bereits auf slowenischem Gebiet. Die Südsteirische Weinstraße bildet hier die Grenze, aber das ist ohnehin nur unnötiges Randwissen und die Grenze nur auf Karten existent. Der ein oder andere Tisch steht auch auf dem Rasen unter Obstbäume.
Beide Lokalitäten bieten eine große Gastlichkeit und Genuss in individuellem Stil. Dafür sorgen Lage und herzliche Gastgeber, mit denen man über Wein, Landschaft und Weltgeschehen ratschen kann. Man hat das Gefühl, eine Entdeckung zu machen. Das historische Ambiente ist nicht bloß Fassade – mit ein bisschen Lack die Nostalgie bedient, sondern Authentizität in alten Gemäuern.