Genuss-Orte

Die Lukanischen Dolomiten

Juni 3, 2015

Nicht wenige Regionen bedienen sich, um ihre touristisch zu vermarktenden Eigenheiten gebührend anzupreisen, gerne bei berühmten Namen. So bringt es die Welt laut Schweiztourismus auf 191 Schweizen, das tatsächliche Land inbegriffen, die Neue Zürcher zählt gar 233 Regionen, die sich des Namens bemächtigen, und wer weiß wie viele Hügel zwischen Estland, Hokkaido und Swasiland da noch unberücksichtigt geblieben sind.

Zu den größenwahnsinnigen Regionen, die sich eines bedeutenden Namens bedienen, zählt auch eine kleine Gegend in der Basilika in Süd-Italien. Rund um die Dörfer Pietraportosa und Castelmezzano erstrecken sich bizarre Felsformationen – die Lukanischen Dolomiten. Diese wilden Zacken erinnern von der Form her durchaus an das Hochgebirge am nördlichen Rand des Landes, angesichts ihrer Ausmaßen wirkt der vergleich schon etwas anmaßend. Auch wenn die höchsten Erhebungen der Gegend immerhin 1.800 Meter erreichen, sind die Felsen selbst kaum mehr als hundert Meter an einem Stück hoch. Da die Felsen sich aber malerisch hinter dem farblich schön abgestimmten Häusergewirr der zwei Dörfer erstrecken, wirken sie gleich noch ein bisschen imposanter. Von der Fernverkehrsroute zwischen Salerno und der Adria geht es rechts ab, immer sanft bergauf und schließlich durch einen langen Tunnel, dahinter bauen sich die steilen Spitzen plötzlich zur Linken auf und wirken auf den ersten Blick ein bisschen wie Pappmaché-Felsen hinter dem Dorf Castelmezzano, das von jenseits des Tals gleichermaßen wie ein Kulissenort aus einem Western herübergrüßt.

Im Ort ist dann alles ganz real, es geht es gemütlich und unaufgeregt zu, dörfliches Leben wird hier noch gepflegt. Das größte Hotel möchte sich allerdings schon ein bisschen anbiedern bei der Namens geebneten Region in den norditalienischen Bergen. Um so spektakulärer geht es in der Luft über dem Tal, das Castelmazzano und Pietraportosa trennt, zu: den tiefen Geländeeinschnitt kann man nämlich in James Bond Manier überwinden – mit einem »Flug des Engels«. Per Seilrutsche rauscht man mit bis zu 120 Km/h hoch über dem Abgrund entlang und spart so fast eine Stunde Autofahrt ein, schöne Ausblicke inklusive. Ich war für dieses Vergnügen zur falschen Zeit vor Ort, bin mir aber nicht sicher, ob ich das, wenn es gerade möglich gewesen wäre, gemacht hätte. Egal ob abenteuerlustiger Urlauber oder Nahverkehrs-Konsument – ein Zwei-Minuten-Ritt durch die Wolken, Kopf voran, bedeutet sicher jedes Mal Adrenalin pur.

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